Zivile Sicherheitsforschung gegen Terrorismus - Auftaktveranstaltung zu den Förderrichtlinien „Aspekte und Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung“
Am 02. und 03. Mai 2017 fand im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Berlin die Auftaktveranstaltung zur Förderbekanntmachung "Zivile Sicherheit – Aspekte und Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung" im Rahmen des Programms "Forschung für die zivile Sicherheit" statt. Das BMBF fördert in diesem Themenfeld bis Mitte 2020 zehn Verbundprojekte mit über 21 Millionen Euro. Auf der Veranstaltung wurden die Forschungsansätze und Konzepte der Projekte zu den Schwerpunkten Prävention und Bekämpfung von Terrorismus vorgestellt.
Die Auftaktveranstaltung diente unter anderem dazu, die Verbundpartner der Projekte untereinander zu vernetzen und einen regelmäßigen projektübergreifenden Austausch zu initiieren. Künftig sollen vorhandene Synergien identifiziert und genutzt sowie gleichzeitig eine Doppelförderung gleicher Forschungsgegenstände ausgeschlossen werden.
Zudem soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Unternehmensvertretern und Anwendern in den Verbundprojekten sowie die systematische Einbeziehung rechtlicher und ethischer Fragestellungen gewährleisten, dass die Ergebnisse einen Beitrag zur Entwicklung anwendungsorientierter Lösungen gegen den Terrorismus liefern und damit die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger erhöhen.
Terrorismus ist ein internationales Problem, dem sich nicht nur Deutschland stellen muss. Aus diesem Grund werden in dieser Bekanntmachung ein Drittel Deutsch-Österreichische Verbundprojekte gefördert. Bereits seit 2013 besteht eine erfolgreiche Kooperation der beiden Nachbarländer zu Fragen der zivilen Sicherheitsforschung. In beiden Ländern erhoffen sich die Projektpartner Ergebnisse für die die Bekämpfung von Extremismus und die Verhinderung terroristischer Anschläge durch die Erforschung neuer Ansätze zur Sprengstoffdetektion, Drohnenabwehr und Aufklärung von Straftaten durch eine rechtskonforme Auswertung von Bild- und Videomaterial.
Internetpropaganda
In den letzten Jahren hat sich die Strategie des internationalen Terrorismus sehr verändert. Das gilt insbesondere für die Rekrutierung von Unterstützern für z.B. von al-Qaida und dem so genannten islamischen Staat. Beschränkten sich frühere Rekrutierungsbemühungen häufig auf einen kleinen, elitären Kreis, so zielt die aktuelle Propaganda auf mögliche Unterstützer aus der breiten Masse. Um eine maximale Wirkung zu erzielen, wird die Propaganda im Internet und in den sozialen Medien immer direkter und mit dem Ziel betrieben, vorrangig junge Menschen zu radikalisieren. Dies gilt nicht nur für dschihadistische sondern vermehrt auch für rechtsextremistische Radikalisierung.
Um dieser Gefahr zu begegnen und um Menschen zu schützen, wird in drei Projekten erforscht, welche Effekte Propaganda in sozialen Medien und der realen Welt auf Radikalisierungsprozesse und auf geplante oder durchgeführte Gewaltanwendungen hat. Das Internet nimmt hier eine besondere Rolle ein, wobei dessen Wechselwirkungen noch nicht genau bekannt sind. In den Projekten soll auch den gesellschaftlichen, sozialen und psychologischen Voraussetzungen nachgegangen werden, die eine Radikalisierung begünstigen. Ziele der Projekte sind, verschiedene Lösungen zur Früherkennung, Prognose und Prävention zu finden sowie entsprechende Strategien für Behörden, Anwender und Pädagogen aufzuzeigen. So kann eine Präventionsstrategie beispielsweise nicht nur darauf abzielen, die strafrechtlich relevanten Inhalte aus dem Internet zu löschen, sondern es müssen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass junge Menschen Propaganda als solche unmittelbar erkennen können und diese nicht als interessant empfinden.
Weitere Informationen:
- Propaganda, Mobilisierung und Radikalisierung zur Gewalt in der virtuellen und realen Welt (PANDORA)
- Radikalisierung im digitalen Zeitalter (RadigZ)
- Analyse extremistischer Bestrebungen in sozialen Netzwerken (X-Sonar)
Detektion von Explosivstoffen
Eine stehengebliebene Tasche im Kaufhaus oder ein herrenloser Koffer in einem Zug sorgen regelmäßig für Aufregung. Auch wenn sich der Inhalt solcher Gepäckstücke meistens als harmlos herausstellt, muss immer damit gerechnet werden, dass sich in den Koffern versteckte Spreng- oder Brandvorrichtungen befinden. Sie könnten das Potenzial haben, großen Schaden anzurichten. Das Spektrum möglicher Konstruktionen ist dabei enorm: Es können Granaten, Minen, Rohrbomben oder so genannte Selbstlaborate mit den unterschiedlichsten Zündvorrichtungen sein. Für die Einsatzkräfte vor Ort ist es daher elementar, möglichst viele Informationen über den Inhalt verdächtiger Gegenstände sammeln zu können.
Zur Untersuchung liegengebliebener Gepäckstücke kommt in der Regel ein Roboter zum Einsatz. Bevor ein verdächtiges Objekt gesprengt werden muss, ist es sinnvoll, zunächst berührungsfrei zu ermitteln, ob der Inhalt ungefährlich ist oder möglicherweise entschärft werden kann. Dazu sollen u.a. innovative Röntgenverfahren, Wärmebildkameras und Sensoren zur Identifikation und der chemischen Zusammensetzung der Sprengvorrichtungen eingesetzt werden. Neben der Aufklärung vor Ort können die so gewonnenen Daten bei der späteren Strafverfolgung unterstützen.
Sensoren sollen auch dazu eingesetzt werden, um in sensiblen Bereichen Sprengstoffe nachzuweisen. Personen, die beispielsweise Sprengvorrichtungen am Körper tragen und sich in einem Sicherheitsbereich befinden, sollen so erkannt werden. Ein derartiger Sensor muss bereits geringste gasförmige Spuren der verwendeten Explosivstoffe nachweisen können.
Weitere Informationen:
- Detektion unterschiedlicher unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen mittels intelligenter analytischer Sensorik (DURCHBLICK)
- Portal mit kostengünstigem IMS Netzwerk zum berührungslosen Nachweis am Körper getragener Explosivstoffe (POLINEX)
Abwehr unbemannter Flugsysteme
Bis heute gab es in Europa noch keine gezielten Anschläge durch unbemannte Flugsysteme (Drohnen). Seitdem Drohnen einfach käuflich erworben oder auch selbst konstruiert werden können, hat die Bedrohungslage jedoch deutlich zugenommen. Heute schon gibt es häufiger Verletzungen von Schutzzonen unter anderem im Bereich von Flughäfen. Dabei geht es heute hauptsächlich um Missbrauch durch Paparazzi oder Bürger, die widerrechtliche Video- und Fotoaufnahmen von Personen oder kritischen Infrastrukturen machen. Ziel der Sicherheitsforschung ist es daher, frühzeitig geeignete Abwehrmechanismen zu schaffen, bevor es tatsächlich zu einem Angriff kommt. Insbesondere der Schutz vor terroristischen Drohnenangriffen im städtischen Raum eröffnet viele technische, aber vor allem auch rechtliche und ethische Fragestellungen, denen in vier neuen Projekten nachgegangen werden soll.
Der dreistufige Abwehrprozess aus „Detektion, Verifikation und Intervention“ soll für verschiedene Szenarien mit geeigneten Technologien und Maßnahmen unterlegt werden. Für die Erkennung von Drohnen steht in der Regel nur ein geringer Zeitraum von 30 Sekunden bis wenigen Minuten zur Verfügung. In diesem Zeitraum muss eine Detektion, Klassifikation und Einschätzung der Bedrohungslage erfolgen sowie über mögliche Abwehrmaßnahmen entschieden werden. Schwerpunkte der Forschung liegen auf einer modellbasierten Situationsanalyse, multimodalen Sensoren und Aktoren, neuen Komponenten für Sensorsuiten sowie einer sensorgestützen Detektion und Abwehr in urbanen Räumen.
Weitere Informationen:
- Abwehr von unbemannten Flugobjekten für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (AMBOS)
- Assistenzsystem zur situationsbewussten Abwehr von Gefahren durch UAS (ARGUS)
- Mikro-Drohnen Abwehr System (MIDRAS)
- Sensorgestütztes Überwachungs- und Alarmierungssystem zur Detektion und Verfolgung unbemannter Flugsysteme (ORAS)
Maßnahmen nach einem erfolgten Anschlag
Nach einem terroristischen Anschlag erhalten Behörden viele 1000 Stunden Videomaterial, die schnellstmöglich ausgewertet werden müssen. Das Material stammt dabei aus unterschiedlichsten Quellen. So können beispielsweise Passanten Bilder oder Videos in der Umgebung des Anschlagsortes aufnehmen und den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen. Hinzu kommen die Aufnahmen aus öffentlichen und privaten Videoüberwachungsanlagen. Diese Dateien können wesentliche Hinweise zum Tathergang, zur Beschreibung des Tatorts und zur Ermittlung der Täter liefern. Die Daten liegen aber in vielen unterschiedlichen und oft nicht kompatiblen Formaten vor, und es gibt noch keine Möglichkeit, das Bildmaterial automatisiert zu analysieren – sämtliche Videos müssen derzeit manuell in Augenschein genommen werden.
Darüber hinaus geht es auch um rechtliche Fragen: Bei der Auswertung von Videomaterial müssen Fragen des Datenschutzes, der Zulässigkeit von privatem Bildmaterial in der Strafverfolgung und des Umgang mit Persönlichkeitsrechten von Anfang an betrachtet werden.
Daher soll ein softwarebasiertes System generieren werden, das es ermöglicht, große Mengen an Audio- und Videomaterial automatisiert und unabhängig vom vorliegenden Format auswerten zu können. Über Mustererkennung sollen so aussagekräftige Bilder und Videos erkannt und zusammengeführt werden, so dass der Tathergang nachvollziehbar ist.
Weitere Informationen:
- Flexibles, teilautomatisiertes Analysesystem zur Auswertung von Videomassendaten (FLORIDA)