Session "Rechtliche Herausforderungen und Gestaltungsspielräume für Sicherheitsinnovationen"
Dienstag, 12.04.2016; 15:15 - 16:45 Uhr
Raum: Bischkek
Zusammenfassung:
Zum Auftakt der zweiten Session diskutierte Dr. Philipp Wittmann, Richter beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, aus einer Grundrechtsperspektive Anforderungen an eine Verfassung als Rahmenordnung für technische Innovationen. Am Beispiel der – als Negativfolie genutzten – US-amerikanischen Bundesverfassung zeigte er auf, dass Strukturmerkmale wie enge Schutzbereiche und das Fehlen eines Gesetzesvorbehaltes für staatliche Grundrechtseingriffe in mehrfacher Hinsicht problematisch sind: Sie führten erstens zu erheblicher Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage der Grundrechtsrelevanz von Überwachungsmaßnahmen, zweitens zu einer institutionellen Überforderung der Rechtsprechung; drittens fehle eine zuverlässige Kompensation von Lücken der Schutzbereichsrechtsprechung durch den Gesetzgeber.
Dass Sicherheitsinnovationen auch aus versicherungstechnischer Perspektive eine Herausforderung darstellen, zeigte Dr. Oliver Lamberty von der Deutschen Rückversicherung Aktiengesellschaft in Düsseldorf in seinem Vortrag. Prozesse zunehmender (globaler) Vernetzung von ökonomischen und technischen Systemen untereinander machten die Aufgabe von Versicherern, Schadenbedarfe und Risikoprämien von statistisch unabhängigen Einzelrisiken zu einem Versicherungsportfeuille auszubalancieren, immer komplexer und schwieriger. Am Beispiel des autonomen Fahrens illustrierte Lamberty zudem, wie durch technische Innovationen im Bereich der Automatisierung von Systemen vollkommen neue, bislang ungeklärte haftungsrechtliche Fragen aufgeworfen werden.
Dr. Silke Jandt von der Universität Kassel diskutierte Fragen der rechtlichen Steuerung der Sicherheitsforschung zwischen technischer Machbarkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Als möglichen Beitrag zu einer Lösung – die indes in erheblichem Maße von der Kooperationsbereitschaft von Unternehmen und Technikentwicklern abhängig ist – stellte sie den Ansatz einer „sozialverträglichen Sicherheitsforschung“ zur Diskussion. Diese erfordere erstens eine interdisziplinär ausgerichtete verfassungsverträgliche Technikentwicklung, zweitens eine auf Chancen- und Risikenanalyse basierende verfassungsorientierte Technikfolgenabschätzung und drittens die Gewährleistung eines verfassungskonformen Technikeinsatzes, durch gesetzliche Rahmensetzungen und organisatorische Maßnahmen.
Prozesse zunehmender Technisierung und wachsender Vernetzung von sozio-technischen (Sicherheits-)Systemen, das zeigte auch die Diskussion, bringen vielfältige, bislang ungelöste rechtliche wie auch versicherungstechnische Herausforderungen hervor. Und sie bedürfen notwendig einer Reflexion hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Grund- und Freiheitsrechten.
Vorträge:
Moderation
Harald Arnold und Peter Zoche (beide Fachdialog Sicherheitsforschung)
Vortrag
Sicherheitsinnovation und Versicherung - Dr. Oliver Lamberty (Deutsche Rückversicherung AG)
Rechtliche Steuerung der Sicherheitsforschung: Zwischen technischer Machbarkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz - Dr. Silke Jandt (Universität Kassel)
Diskussion