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DEFERM: Dekontaminationsmaßnahmen nach einer vorsätzlichen oder natürlichen Freisetzung von pathogenen Mikroorganismen

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass Krankheitserreger nicht vor Landesgrenzen halt machen und ein grenzübergreifendes, gemeinsames Handeln der Einsatzkräfte unerlässlich ist, um Pandemien effektiv bekämpfen zu können. Ziel des deutsch-französischen Projekts DEFERM ist die Optimierung von Dekontaminationsprozessen, um eine schnelle Ausbreitung biologischer Gefahrstoffe verhindern zu können. Durch die Entwicklung geeigneter Ablaufprozesse sowie Identifikations- und Dekontaminationsverfahren soll eine schnelle und sichere Wiederverwendung von Material und Fahrzeugen im Einsatz gewährleistet werden. 

Zwei Einsatzkräfte in Schutzanzügen desinfizieren sich
© Feuerwehr Dortmund

Vom Labor in die Praxis – Erfolgreicher Feldtest zur Bewältigung biologischer Gefahrenlagen

Die Verbreitung resistenter und hochgefährlicher Krankheitserreger, wie Ebola oder Anthrax, aber auch Ausschwemmungen von Krankheitserregern z.B. aus Kläranlagen beim Hochwasser im Ahrtal, zeigen mögliche zukünftige Gefahren für die Bevölkerung, aber auch für die Einsatzkräfte. Um diese zu schützen, ist ein ausgefeiltes Management von biologischen Gefahren (B-Gefahren) notwendig. Aktuelle Methoden stoßen allerdings an ihre Grenzen: Die Detektion solcher Erreger ist oft langwierig, Desinfektionsverfahren sind in ihrer Wirkung teils selber toxisch (z.B. Formaldehyd) und Großschadenslagen mit biologischen Gefahrstoffen fordern die Einsatzleitung in besonderem Maße heraus.

Hier setzt das deutsch-französische Projekt „ Dekontaminationsmaßnahmen nach einer vorsätzli-chen oder natürlichen Freisetzung von pathogenen Mikroorganismen“ (DEFERM) an. Ziel ist es, Prozesse und Maßnahmen für den Fall einer Kontamination mit unbekannten biologischen Gefahrstoffen zu verbessern – auch grenzübergreifend. Das betrifft eine schnelle, quantitative Echtzeit - PCR-Detektionsmethode (qPCR), die berührungslose Desinfektion als auch verbesserte Verfahren zur internationalen Zusammenarbeit bei der Lagebewältigung. Dabei sollen die Fähigkeiten von Einsatzkräften auf technischer wie operativer Ebene gestärkt werden.
Koordiniert durch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und das französische Institut Pasteur bringt das interdisziplinäre Verbundprojekt hierzu Einsatzorganisationen, Forschende sowie Unternehmen zusammen. Gemeinsam führten sie nun einen Feldtest bei der Feuerwehr Dortmund durch.

Parallele, Pathogen - spezifische Schnelldetektion via qPCR

Zur Bewältigung biologischer Gefahren ist es von zentraler Bedeutung, die Lage schnell und eindeutig einschätzen zu können. Hier hat die Identifizierung des freigesetzten Erregers Priorität. In der im DEFERM-Projekt entwickelten „Disk-Plattform“ (eine Entwicklung des französischen Unternehmens Ademtech und der deutschen Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung) können die Pathogene auf einem kostengünstigen Einwegtestträger vollständig automatisiert und damit zeitnah vor Ort analysiert werden. Innerhalb von nur 40 Minuten kann das System ein eindeutiges Ergebnis liefern. Die Plattform ermöglicht es, gleichzeitig vier Proben auf bis zu zehn relevante Erreger zu testen, was eine viermal so schnelle Erregeridentifizierung zulässt, als mit bisherigen Methoden möglich.

No-Touch Desinfektion

Ein weiterer Schwerpunkt des Verbundprojektes liegt auf der Etablierung neuartiger, halbautomatischer No-Touch (berührungsloser) Desinfektionsmaß-nahmen. Diese haben den Vorteil, dass sie gegenüber manuellen Wischdesinfektionen schneller durch-führbar sind und das Expositionsrisiko für das ausführende Personal deutlich verringern. Dabei stehen drei Verfahren im Fokus: Eine Begasung mit Wasserstoffperoxid, die Ausbringung eines Peressigsäurenebels und die Verwendung eines neuartigen Desinfektionsschaums, den das französische Institut CEA (Commissariat à l'énergie atomique et aux énergies alternatives) entwickelt hat.

Im Projekt DEFERM wurde die Wirksamkeit verschiedener Desinfektionsverfahren in einem Feldtest untersucht.
Im Projekt DEFERM wurde die Wirksamkeit verschiedener Desinfektionsverfahren in einem Feldtest untersucht. © Projekt DEFERM

Um die Praktikabilität der verschiedenen Techniken in der Anwendung zu testen, entwickelten Einsatzkräfte des THW, der Feuerwehr Dortmund, der französischen Feuerwehren Bouches-du-Rhône und Alpes-Maritimes sowie des Deutschen Roten Kreuz gemeinsam mit der Expertise der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Szenarien, in denen die drei Methoden anzuwenden sind. In einem gemeinsamen Feldtest bei der Feuerwehr Dortmund mit den deutschen und französischen Projektpartnern wurde das Detektionssystem an sich, als auch die drei Desinfektionsmethoden dann in der Praxis erprobt. Ausgangszenario war zum einem die Ausschwemmung von resistenten Sporen durch Hochwasser sowie zum anderem ein hochpathogener und infektiöser Erreger, der durch den internationalen Personenverkehr verbreitet wird.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Desinfektion mit Wasserstoffperoxidgas besonders gut für abgeschlossene Innenräume, wie etwa Fahrzeug-innenräume, eignet. Da Peressigsäure zu korrosiv für elektronische Gerätschaften ist, ist sie gut in nicht komplett geschlossenen, größeren Räumen, wie etwa Zelten, anwendbar. Zur Desinfektion von Oberflächen, wie auf Fahrzeugen und Zelten, wurden die besten Ergebnisse mit dem Auftragen des Desinfektionsschaums erzielt. Er hielt im Vergleich zu anderen herkömmlichen Schaumverfahren auch an der Innenseite von Zeltdecken und an den glatten Außenwänden von Fahrzeugen.
Deutsch-französisches Krisenmanagement
Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler haben zudem im Projekt parallel die organisationalen Strukturen der Notfallreaktion in Deutschland und Frankreich sowie das konkrete Vorgehen der Einsatzkräfte beider Länder untersucht. Hierzu modellieren Forschende der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Centre for Security and Society) Netzwerke von Organisationen, um diese zu charakterisieren und deren Abläufe zu analysieren. Das Modell visualisiert dabei auch die Zusammenarbeit beider Länder.

Vor dem Hintergrund einer ähnlichen strategischen Konzeption (etwa beim Aufbau von Labornetzwerken oder interorganisatorischen Schaltstellen) werden im Rahmen der Netzwerkanalyse im französischen System die Maßnahmen und die daran beteiligten Organisationen auf mehreren Ebenen in eine übergreifende Sicherheitsarchitektur integriert. Wohingegen sich die deutschen Maßnahmen auf das Schnittfeld Öffentlicher Gesundheitsdienst und zivile Sicherheit vor dem Hintergrund föderaler Zuständigkeiten konzentrieren.

Ausblick und weitere Vorhaben

In enger Abstimmung mit den Einsatzkräften werden die Erfahrungen aus Labor und Praxis nun in Standardprozesse überführt. Diese sollen es ermöglichen, sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite zukünftig schnell und effektiv auf B-Gefahren zu reagieren und in Großschadenslagen grenzübergreifend zusammenzuarbeiten.

In der verbleibenden Projektlaufzeit bis Ende März 2024 werden die Einsatzparameter der angewandten Desinfektionsmethoden verfeinert und das nach dem Feldversuch erhaltene Feedback der Einsatzkräfte zur Verbesserung der Anwendbarkeit der Techniken genutzt. Außerdem wird das in DEFERM entwickelte Schnelldetektionssystem weiter verbessert und im Labor auf Spezifität und Sensitivität getestet.

Zum Ende des Projektes wird ein zweiter groß angelegter Feldtest in Marseille stattfinden, bei dem erneut deutsche und französische Einsatzkräfte anwesend sein werden. Ging es im ersten Feldtest eher um die Mikroebene und die Testung von unterschiedlichen Desinfektionsverfahren, so liegt der Fokus des zweiten Feltdtests noch mehr auf den Abläufen und der Zusammenarbeit der Einsatzkräfte. Hier wird sich letztendlich zeigen, ob die untersuchten Verfahren erfolgreich durch die Einsatzkräfte in der Praxis angewandt werden können.

Das Projekt DEFERM wird durch das BMBF sowie die französische Agence Nationale de la Recherche im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“, Bekanntmachung „Prävention und schnelle Hilfe bei biologischen Gefahren“, gefördert.

Autoren: Dr. Oliver Kaspari (Robert Koch-Institut Berlin), Dr. Elisabeth Pfrommer (Robert Koch-Institut Berlin), Katrin Wieden (Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Bonn), Dr. Jean-Claude Manuguerra (Institut Pasteur Paris)
Kontakt gerne unter

project deferm
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)
project.deferm@thw.de

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Weitere Informationen zum Verbundprojekt

Förderkennzeichen 13N15506 bis 13N15511

Projektlaufzeit April 2021 – März 2024

Projektumriss DEFERM