Pflege- und Hilfsbedürftige in Krisen und Katastrophen stärken
Ob Wintersturm, Hochwasser oder Bombenevakuierung – gerade in Krisen und Katastrophen sind pflege- und hilfsbedürftige Menschen auf fremde Hilfe angewiesen. Wie Katastrophenschutz und Pflegebereich enger zusammenarbeiten können, erforscht das Projekt KOPHIS.
Januar 2019. Nach tagelangen Schneefällen in den Nordalpen sind einige Ortschaften von der Außenwelt abgeschlossen. Lawinen verschütten Zufahrtsstraßen, während Bäume umknicken und Hausdächer unter der enormen Schneelast zusammenzubrechen drohen. Was aus den vielen Meldungen in den Medien häufig nicht hervorgeht: In den von der Außenwelt abgeschlossenen Häusern sitzen auch pflege- und hilfsbedürftige Menschen fest, die auf fremde Hilfe angewiesen sind. In solch einem Schneechaos trauen sich viele Betroffene nicht mehr vor die Tür, während Pflegedienste kaum noch in die abgelegenen Ortschaften gelangen. Wo bekommen in solchen Extremlagen die Betroffenen ihre wichtigen Medikamente her und wer leistet pflegerische Versorgung? Und was würde passieren, wenn solch ein Wintersturm eine Großstadt treffen würde?
Solchen Fragen stellt sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt "Kontexte von Pflege- und Hilfsbedürftigen stärken (KOPHIS)". Ziel ist es, dass sich Rettungs- und Hilfskräfte vor Ort zur besseren Bewältigung von Krisen und Katastrophen stärker miteinander vernetzen. Insgesamt müssen alle Beteiligten noch mehr auf das Thema aufmerksam gemacht und informiert werden – insbesondere die Pflege- und Hilfsbedürftigen selbst. Nun steht das im Februar 2016 gestartete Projekt kurz vor seinem Abschluss. Im Rahmen der Tagung „Katastrophenschutz und Pflege“ am 23. und 24. Januar in Tübingen tauschten sich die Projektpartner aus und präsentierten ihre Ergebnisse.
Informieren und sensibilisieren - Tipps und Hilfen für Krisen und Alltag
Was in dem Projekt besonders gut angenommen wurde, war die Einrichtung von sogenannten „Runden Tischen“ in der Region Willich in Nordrhein-Westfalen. Dazu wurden Vertreterinnen und Vertreter aus Vereinen, Nachbarschaftsinitiativen und Kirchengemeinden eingeladen. Die regelmäßig stattfindenden Gesprächs- und Informationsrunden fördern den Austausch und die Vernetzung direkt vor Ort. Im Vordergrund steht dabei immer wieder die fehlende Information der Behörden, wer hilfsbedürftig ist. Aber: Soziale Organisationen oder nachbarschaftliche Netzwerke wissen oft, wo pflegebedürftige Menschen leben, welche Medikamente sie nehmen oder ob sie auf bestimmte Medizintechniken wie Gehhilfen oder Sauerstoffgeräte angewiesen sind.
Ein wichtiger Punkt ist, das Interesse der pflege- und hilfsbedürftigen Menschen zu wecken und ihnen zu zeigen, wie sie sich im Notfall richtig verhalten. Dafür haben die KOPHIS-Projektpartner zum einen Leitfäden verfasst. Sie geben nützliche Hinweise für den Krisen- und Katastrophenfall, aber auch für den Alltag. Zum anderen wurde ein „Sicherheits-Bingo-Spiel“ gemeinsam mit Menschen mit Pflege- und Hilfsbedarf und ihren Angehörigen entwickelt, mit dem ganz spielerisch Tipps zum richtigen Verhalten in Notfällen vermittelt werden. Parallel dazu wurde ein Schulungskonzept erarbeitet und erfolgreich mit pflegenden Angehörigen getestet.
Mehr Kommunikation
In Willich werden die Anregungen aus KOPHIS auch nach Projektabschluss weitergeführt. Dabei soll die Selbst- und Nachbarschaftshilfe gestärkt und die Bevölkerung in die Lage versetzt werden, im Falle einer Krise sich selbst und anderen zu helfen.
Die Ergebnisse des Projekts zeigen ganz deutlich, dass allgemein mehr über die besondere Betroffenheit von pflege- und hilfsbedürftigen Menschen in Krisen und Katastrophenlagen berichtet und informiert werden muss, damit das Thema stärker in den Fokus von Forschung, Praxis und Politik rückt. Gerade in Hinblick auf den demografischen Wandel – die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter – wird das Thema rund um die Pflege von Menschen im eigenen Zuhause und wie man in Notlagen richtig reagiert, künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen.