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Interview

Herr Lange, Sie sind am 1. Juli 2019 in Ihre zweite Amtszeit als Präsident der Deutschen Hochschule der Polizei gestartet. Welche Ziele sind Ihnen für diese Amtszeit besonders wichtig?

Lange: Mir ist besonders wichtig, den eingeschlagenen Weg der Weiterentwicklung der DHPol auf allen Ebenen, Studium, Forschung, Fortbildung und Internationalisierung, aber auch hinsichtlich Infrastruktur und Organisation konsequent weiter zu gehen und dabei universitäre Standards mit den zweifellos besonderen und anspruchsvollen Anforderungen an eine berufsfeldbezogene Hochschule zu verbinden. Wir haben ein Alleinstellungsmerkmal dahingehend, dass wir universitäre Wissenschaft, u. a. in Gestalt unseres Masterstudiengangs, und polizeiliche Praxis, insbesondere in der Aus- und Fortbildung der polizeilichen Führungskräfte in den Polizeien der Länder und des Bundes, ganz konkret zusammenbringen und zeigen, dass eines auf das andere angewiesen ist.

Ist der Polizeiberuf in den letzten Jahren durch den digitalen Wandel komplizierter geworden?
Lange: Das ist sicher der Fall, wenn neue Arbeitsweisen und -techniken auf allen Ebenen polizeilicher Arbeit zum Tragen kommen. Das können Innovationen in Kommunikation und Büroorganisation sein, die zunächst nicht polizeispezifisch sind. Es können aber ebenso neue Deliktsfelder sein, die auf der Grundlage der Digitalisierung erstmals auftreten und entsprechende Ermittlungsmaßnahmen und -verfahren erfordern. Eine besondere Rolle spielen die sozialen Medien, die sich unmittelbar positiv oder negativ auf polizeiliche Arbeit auswirken können und zugleich ein immer wichtigeres Element polizeilicher Ermittlungsarbeit werden. Zu diesen Themen wird an der DHPol derzeit geforscht, z. B. in den vom BMBF geförderten Projekten X-SONAR oder LATERAN.

Welche Auswirkungen hat die Abnahme der öffentlichen Wertschätzung auf den Polizeiberuf?

Lange: Die abnehmende öffentliche Wertschätzung betrifft nicht allein die Polizei. Auch andere Repräsentanten der Sicherheitsbehörden und sogar des öffentlichen Gesundheitswesens, z. B. Rettungs- und Pflegekräfte, sehen sich verstärkt verbalen und körperlichen Anfeindungen ausgesetzt. In Rankings beliebter Berufe belegt der Polizeiberuf noch immer einen der vorderen Plätze. Dabei darf die Pluralität des Berufs sicher nicht vergessen werden. Je nach Aufgabenschwerpunkt wird das Pendel mehr in Richtung Wertschätzung oder in Richtung Anfeindung ausschlagen. Sicher scheint mir jedoch, dass beide Facetten des Berufs gesehen werden müssen. Für die Polizeihochschulen insgesamt ist es wichtig, in Studium und Fortbildung darauf vorzubereiten und die Menschen in Uniform so zu qualifizieren, dass sie ihre Rolle in einem demokratischen Rechtsstaat verantwortlich wahrnehmen und sich als Individuum angemessen schützen können.

Wie bereitet die DHPol Polizeikräfte auf die sich immer schneller verändernden Anforderungen dieses Berufs vor?

Lange: An dieser Frage arbeiten wir aktuell im Rahmen unseres umfassenden Strategieprozesses. Die große Herausforderung besteht darin, sich in Studium und Fortbildung für neue Themen offen zu halten und zugleich eine solide fachliche und methodische Basis zu schaffen. Zeit ist ein knappes Gut, auch und gerade in Bildungsprozessen, sodass wir an Wegen arbeiten, um die Lehrinhalte flexibel der dynamischen Gesellschafts- und Berufsfeldentwicklung anzupassen und zugleich Methoden zu vermitteln, die es erlauben, sich individuell auf wechselnde Herausforderungen vorzubereiten. Aus meiner Sicht hat die Polizei mit ihrem differenzierten Bildungssystem gute Chancen, durch einen komplementären Ansatz von Studium und Fortbildung innovative Angebote zu entwickeln, um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen ihres Berufs gerecht zu werden und sich ein hohes Maß an Berufszufriedenheit zu erhalten.

Wie fließen neueste Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft in die Ausbildung sowie in die Fort- und Weiterbildung ein?
Lange: Durch die Forschungstätigkeit unserer Lehrenden besteht ein kurzer Weg von der Forschung in die Lehre. Die Studierenden an der Forschung aktiv zu beteiligen wäre noch ein Wunsch von mir, damit sie auch in der späteren Führungsrolle Nutzen und Reichweite von Forschung berücksichtigen können, um Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Unser Drittmittelaufkommen steigt beständig. Es ist unser Ziel, Forschungsthemen z. B. - terroristische Bedrohungslagen, Pflege als Risiko, extremistische Bestrebungen in Social Media Netzwerken, Migration und Diversität der deutschen Polizei - schneller und flexibler in die Studieninhalte zu bringen als dies bislang möglich war. Dies beinhaltet, auch auf besorgte Stimmen einzugehen, die befürchten, dass eine zu schnelle Pluralisierung das Aufgaben- und Werteverständnis der Polizei überfordern könnte.

Die Polizei sieht sich auch vor der Aufgabe, die Diversität der heutigen Gesellschaft in ihren eigenen Reihen abzubilden und Integrationsarbeit zu leisten. Wie kann dies gelingen?

Lange: Ein Patentrezept für diese komplexe gesellschaftliche Herausforderung hat wohl niemand. Ein wesentlicher Schritt ist aus meiner Sicht schon getan, wenn sich gesellschaftliche Diversität in der Polizei wiederfindet und ein selbstverständlicher Bestandteil der Organisationskultur ist. Wir müssen als Hochschule entsprechende Bildungsangebote konzipieren, die diese Diversität aufgreifen und durch differenzierte Angebote erfolgreiches Lernen für alle ermöglichen. Wir führen beispielsweise eine Veranstaltungsreihe zur „Zukunft der Polizei“ durch, in der solche Konzepte, ihre Möglichkeiten und Grenzen, mit Vertretern aus der Polizei, anderen Sicherheitsbehörden, aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung diskutiert und entwickelt werden.

Wie geht die Polizei mit dem in der Öffentlichkeit jetzt verstärkt diskutierten Themen Gewalt gegen Einsatzkräfte, aber auch Gewalt durch Einsatzkräfte um?

Lange: Ich kann hier nicht für „die Polizei“ sprechen, sondern nur aus der Sicht einer Hochschule. Wichtig erscheint mir, Raum zu schaffen für die Thematisierung individueller und kollektiver Erfahrungen, das geschieht meiner Kenntnis nach auf vielen Ebenen bereits sehr erfolgreich. Für uns als Universität sehe ich eine große Chance, die zukünftigen Führungskräfte mit den notwendigen inhaltlichen und methodischen Kenntnissen auszustatten, um vor Ort adäquat mit dem Thema Gewalt umgehen zu können. Dazu gehört ebenfalls, kritisch über die Fälle zu sprechen, in denen es zu Gewalt durch Einsatzkräfte kommt. Die DHPol ist der geeignete Ort, sich eines solchen Themas in seiner Komplexität aus interdisziplinärer Perspektive anzunehmen. Wie schon eingangs gesagt, sind von dieser Frage Einsatzkräfte aller Bereiche – bis hin zu Feuerwehren und Personal in Krankenhäusern – betroffen. Letztlich ist es die Frage, wie eine demokratische Gesellschaft es schafft, Konflikte, die immanent Bestandteil einer differenzierten demokratischen Gesellschaft sind, gewaltfrei zu lösen und ihren Zusammenhalt zu gewährleisten. Polizei muss und kann diese Fragen für die Gesellschaft nicht beantworten, sie muss diese Fragen für ihre Arbeit allerdings berücksichtigen.

Vielen Dank für das Gespräch!